Begeisterung und strahlende Augen

Bericht eines Rovers: Ich gehe als Helferin ins Bula, weil mir die Pfadi in meiner Jugend sehr viel gegeben hat und ich gerne etwas davon zurückgeben möchte. Meine Kinder sind als Leiter im Bula und ich möchte mithelfen, allen Teilnehmer*innen dieses einzigartige Lagererlebnis zu ermöglichen.  

Ich gehe ohne jede Erwartung. Dreissigtausend Menschen auf einem Haufen klingt einschüchternd und ich weiss nicht, wie gut ich mich mit 51 Jahren auf das Lagerleben einlassen kann. Es fühlt sich komisch an, allein in einem Pfadilager anzukommen. Mein Sohn holt mich mit Velo und Anhänger in Ulrichen ab und offeriert mir sogar, beim Zeltaufbau zu helfen – schon ist der Blues weg. Mein Zelt steht vor den ersten Regentropfen und ich mache mich auf eine erste Erkundungstour durch die Zeltstadt. Es braucht 24 Stunden, um im mova richtig anzukommen, diese Stadt und ihre Regeln zu verstehen und sich auf den Pfadigroove einzuschwingen. In der ersten Nacht sprechen einige Rover sehr laut und sehr spät neben dem Zelt. Als ich sie darum bitte, etwas leiser zu reden, weil ich gerne schlafen möchte, entschuldigen sich alle bei mir. Damit habe ich nicht gerechnet, willkommen in einer zuvorkommenden Welt! 

CheckIn

Auch während den nächsten Tagen bleibt dieses Gemeinschaftsgefühl. Sich in einer Gemeinschaft mit ähnlichen Werten und Zielen zu bewegen, ist wohltuend. Alle helfen, alle reden miteinander, alle schauen zueinander, alle übernehmen Verantwortung. Ich gehe meist allein im Rover-Verpflegungszelt zum Essen. Oft setzte ich mich neben eine andere Person, die allein isst und sofort beginnt ein lebhafter Austausch. Es sind sehr schöne, offene Begegnungen, die da entstehen und ich fühle mich in den nächsten Tagen nie allein.  

Ich helfe bei der Pfadi Trotz Allem und im internationalen Zelt und bin dadurch nahe bei den Lagerteilnehmer*innen. Ich erlebe fröhliche Kinder, die mit Begeisterung dabei sind. Es ist dieses innere Feuer, diese strahlenden Augen, die mich jedes Mal berühren, wenn ich Pfadifotos anschaue. Ich erlebe sehr engagierte Leiter*innen, bin tief beeindruckt und staune ab all den jungen Menschen, die ihre Freizeit in die Pfadi investieren. Das lässt sich nur durch den Pfadifunken erklären, dieses schwer zu definierende Gefühl, das einem tief im Herzen berührt und für den Rest des Lebens begleitet. Das Bula erscheint mir wie ein Modell einer zukünftigen Gesellschaft: Eine Gesellschaft, in der Menschen einfach, friedlich und fröhlich zusammenleben, in der die Natur geachtet wird, und in der es keine einsamen Menschen gibt, weil alle dazugehören.  

Am letzten Abend liege ich im Zelt, kann nicht einschlafen und denke über die fünf Tage im Bula nach. So viele schöne Begegnungen und Momente, nur etwas fehlt noch: Ein richtiger Pfadi-Singsong. Plötzlich meine ich, den Refrain eines Liedes zu hören. Ich stehe auf und mache mich auf ins Roverzelt. Tatsächlich, zwei Rover spielen Gitarre und etwa 40 Rover sitzen drumherum und singen. Es wird ein langer Abend mit vielen Liedern, die tschechischen Lagerteilnehmer*innen gesellen sich dazu und bei den Beatles-Song können wir alle gemeinsam trällern.  

Nach fünf Tagen muss ich nach Hause reisen, da ich zuhause Haus und Hof übernehmen muss. Auf der Heimfahrt bin ich mit ein paar Wölfligruppen im Zug und alle sind sich einig: Wir wollten noch länger im mova bleiben. Ich bin ganz allein zuhause und erlebe das erste Mal in meinem Leben einen richtigen Lagerkoller. An der 1. August-Feier nehme ich virtuell über den Livestream teil und kann nur erahnen, wie fantastisch die Stimmung unter den Pfadis ist. Schon beim Heimfahren kommt in mir die Idee, dass ich ja nochmals zum Aufräumen ins Goms fahren könnte. So mache ich mich heute auf den Weg, viereinhalb Stunden Zugfahrt, um nochmals vier Tage im mova arbeiten zu können. Ich möchte gerne etwas zurückgeben, denn beim ersten Aufenthalt habe ich viel mehr bekommen als ich gegeben habe. Ich vermute, es könnte auch beim zweiten Mal wieder so sein. Ich wünsche uns allen, dass der Pfadifunken in unserem Herz nach dem Lager weiter leuchtet gemäss den Worten von BiPi: «Versucht, die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, als ihr sie vorgefunden habt.» 

 

Snoopy / Angela Muther